Diamantköper oder Rautenköper? Wo liegt der Unterschied?
Sicher geht es dir auch so. Du hast recherchiert, dich für ein Jahrhundert, eine Region, einen Ort, ein Gräberfeld und eine Darstellung entschieden. Repliken der Grabinhalte wie Keramik, Bewaffnung, Schmuck usw. anfertigen zu lassen, ist verhältnismäßig leicht. Man braucht ja nur einen guten Handwerker, dem man eine Zeichnung und genaue Maße gibt und er kann ein Fundstück nahezu originalgetreu zum Leben erwecken.
Die richtige Stoffwahl
Schwierig wird es bei der richtigen Stoffwahl für die ausgesuchte Darstellung.
Neben der Farbe ist auch die richtige Webart entscheidend. Es gibt u.a. Leinwandbindung, Köperbindung, Fischgrat, Spitzgrat, Diamantköper, Rautenköper und noch einige andere. Man hat die Qual der Wahl.
Ein Kriterium, um den richtigen Stoff zu finden, ist die Darstellung selbst. Der einfache Handwerker wird keinen Diamantköper getragen haben, weil er viel zu aufwändig und zeitinensiv in der Herstellung war. Er hätte sich sicher für eine einfache Leinwandbindung (Leinen) bzw. Tuchbindung (Wolle) entschieden.
Für das moderne Auge sind aber sowohl Diamant- als auch Rautenköper sehr attraktiv. Beide Webarten sehen nicht nur gut aus, sondern wirken auch sehr edel. Deshalb fällt die Wahl auch gerne auf die beiden und die Enttäuschung ist oft groß, wenn ich davon abrate, weil es schlicht nicht zur Darstellung passt.
Ich möchte mich zukünftig mehr auf die Unterstützung von Neulingen im Living History und Reenactment konzentrieren. Deshalb zeige ich kurz die optischen Unterschiede zwischen Diamant- und Rautenköper.
Wieviel Schäfte es zum Weben am Gewichtswebrahmen benötigt, wäre für den ersten Überblick zu tiefgründig.
Wird
dem Einsteiger oder der Einsteigerin gesagt: "Für die Darstellung
brauchst du einen Diamantköper" wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein
Rautenköper gekauft. Oft sind auch in Shops die Bezeichnungen falsch.
Deshalb kurz und knapp zusammengefasst, um dich vor einem Fehlkauf zu bewahren:
Der Rautenköper wird im Englischen auch Diamond Twill genannt. Die Linien, die die Raute bzw. den "Diamant" bilden, sind geschlossen. Sie stoßen an allen Spitzen zusammen und in der Mitte ist eine kleine Raute deutlich zu erkennen.
Der Diamantköper ist auf englisch der "Broken Diamond Twill". Und das ist auch die Eselsbrücke.
Broken = Gebrochen - Also, gebrochener Rautenköper
Die Linien stehen versetzt zueinander, bilden eine, in den Spitzen offene Raute und in der Mitte sind nur Punkte zu erkennen.
Ich hoffe, das hilft bei der Recherche schon ein bischen weiter.
Wie oft kommen diese Webarten überhaupt vor?
Ein kleiner Hinweis noch zur Häufigkeit der beiden Webarten Rauten- und Diamantköper. Oben hatte ich den Handwerker erwähnt, für den ein Diamantköper unerschwinglich war. Schauen wir uns das wikingerzeitliche Gräberfeld von Birka in Schweden an.
Dort wurden in über 1100 Gräbern 168 Textilrest gefunden. Davon sind 37 Diamant- und 9 Rautenköper. Allesamt bei weiblichen Bestattungen. (Quelle: Birka III - Die Textilfunde aus den Gräbern von Agnes Geijer).
Obwohl die Gräber in Birka hauptsächlich reich ausgestattet sind, kommen die beiden Webarten nur sehr selten vor. Es war also kein Stoff, der von allen Schichten getragen wurde und sehr sicher kam er damals nicht so häufig vor, wie wir ihn heute für die unterschiedlichsten Darstellungen bei Veranstaltungen sehen.